// Photo – Stephanie Stonem // Shirt – Funktion Schnitt // Suit – Ade Velkon // Recycled Leather Bracelet – fomi.studio // Shoes – Acne Studios
Standesamt // Gefangen zwischen dem kleinen Mädchen, dass aus den Medien gelernt hat als Ziel eine pompöse Traumhochzeit zu haben und der erwachsenen Frau und Feministin, die das ganze nüchtern und minimalistisch individuell betrachtet. Es ist gar nicht einfach so einen Antrag zu bekommen.
Ich spreche wohl für den Großteil der Frauen in meinem Alter, wenn ich behaupte sexistisch* sozialisiert worden zu sein. Mädchen Pink und Rosa, Jungs blau. Mädchen Ballett, Jungs Fußball. Diese oberflächliche, stereotypische Auflistung könnte jetzt ewig weiter gehen und da habe ich auch gar keine Lust mehr drauf. Wir sind als erwachsene Frau (hoffentlich) endlich dem Tiara-Syndrom* entkommen. Doch trotzdem ist sie in den Köpfen abgespeichert.
Anfang Februar habe ich den wohl schönsten, perfektesten und romantischsten Heiratsantrag bekommen, den ich mir vorstellen konnte. Von dem Mann mit dem ich eh mein Leben verbringen wollte, egal ob verheiratet oder nicht.
Festhalten, Rührung und Zweisamkeit wurde gefolgt von kritischen Gedanken. Trotz allen Glücksgefühlen, bekam ich schnell ein flaues Gefühl im Magen. Die große, starke Feministin in mir fand das alles so gar nicht gut. Ein Mann hat mir einen Diamantring an den Finger gesteckt. Ist das nicht ein No-Go so als Feministin?
„Bis zu deiner Hochzeit ist das wieder verheilt.“ Oma
Ich war innerlich vollkommen zerrissen. Das kleine Mädchen in mir, dem immer als Kind von einer Hochzeit als Traum erzählt wurde und das dadurch irgendwie als Lebensziel des Erwachsenwerdens sehr prägnant machte, sprang freudig auf und ab. Die Frau, die ich jetzt bin hatte für das System Ehe eigentlich nur ein müdes Lächeln übrig. Eine innere Zerrissenheit die sich in einer Diskussion zwischen dem pink sozialisierten Mädchen in mir und der unabhängigen Frau abspielte. Dreams vs. Reason?
Die Ehe, damit meine ich die kirchliche Ehe, sehe ich inzwischen trocken als Motor des Patriarchats. Deswegen war für mich von vornherein klar, dass wenn wir heiraten, wir „nur“ zum Standesamt gehen. Ich gehöre nämlich keinem Menschen, der mich an der Hand nehmen muss um mich am Ende des Ganges an einen anderen Menschen weiter zu reichen.
„Die ist nicht verheiratet, die ist doch Feministin.“ Gesprächsfetzen einer Nacht
Meine fast schon zwanghafte Bedingung an mich selbst [volle Unabhängigkeit] wurde gefühlsmäßig hart auf die Probe gestellt. Konnte man verheiratet sein, wenn auch nur vorm Standesamt, und unabhängig bleiben? Vor- und Nachteile wurden in meinem Kopf Nacht für Nacht durchgegangen. Warum nicht einfach eine eingetragene Lebenspartnerschaft? Reicht doch, oder?
Doch da stampfte das kleine Mädchen in mir wütend auf den Boden, denn in ihrer Vorstellung wollten wir doch eine Mädchen-Traumhochzeit haben, oder? War das Standesamt nicht ein guter Kompromiss? „Aber wenn wir heiraten will ich eine große Feiern“ schrie das Mädchen in mir. „No f*cking way I’m spending that much money on one day. Viel wichtiger ist doch das gemeinsame Leben!“, schrie ich.
Es fällt schwer loszulassen. Eigene Stereotypische Ansichten zu hinterfragen und noch mehr Mühe diese zu ändern. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich Feministin sein kann und standesamtlich heiraten kann, ohne das ich mich selbst dafür verurteilen muss. Das Standesamt ist auch ein guter Kompromiss zwischen dem pink sozialisiertem Mädchen und mir.
* Sexistisch: per Definition ist etwas sexistisch, sobald man zwischen biologischen Geschlechtern unterscheidet.
* Tiara Syndrom: Die Annahme von Frauen irgendwann von einem „Prinzen“ „gerettet“ zu werden.
So ging es mir auch! Wie hast du dich entschieden?
Der Brauch am Ende des Ganges „übergeben“ zu werden kommt aus Hollywood und nicht aus der Kirche. Unsere feministische Pfarrerin lehnt diesen Wunsch (der typischen Prinzessinnen-Hochzeit) strikt ab, dennoch muss das jeder persönlich entscheiden und ist keine Vorgabe (wird eher missachtet) in der Kirche ?
Liebe Anni,
Was für ein Text! Hab ich richtig gerne gelesen. Und ich kann deinen Zwiespalt absolut nachvollziehen.
Vor mehr als 7 Jahren habe ich standesamtlich und kirchlich geheiratet – habe mich in der Kirche aber auf halbem Weg selbst von meinem Vater verabschiedet, bin dann die zweite Hälfte alleine weiter, sodass er mich nicht übergeben hat. Das war für mich, damals 21, eine schöne Lösung! Auch heute würde ich nicht auf die Kirche verzichten wollen, bzw. nicht auf eine große Feier mit weißem Kleid – eine freie Trauung wo Braut und Bräutigam gemeinsam den Gang entlangschreiten wäre nun meine Wahl.
Euch beiden alles Liebe!
Und vielleicht ja bald mal wieder Kaffee ❤
Ka
Vielen Dank für dein Kommentar, liebe Karen! 🙂 Eine schöne Lösung, auf jeden Fall – zum Glück gibt es heute wirklich viele Möglichkeiten der Gestaltung dieses wunderbaren Tages 🙂
Ein sehr spannender Artikel!
Danke für deine Gedanken zu einem so wichtigen Thema.
Gerade jetzt, wo gefühlt alles um einen herum heiratet oder drauf und dran ist, das zu tun, frage ich mich selbst ebenfalls, was ich eigentlich will. Und ich muss gestehen: Auf Traumhochzeit habe ich so gar keine Lust (auch wenn das früher – Sozialisation sei Dank – anders war und ich mir nichts Besseres vorstellen konnte).
Das liegt aber vermutlich an meiner Introvertiertheit, gemixt mit meiner praktisch-trockenen Veranlagung vielen Dingen gegenüber.
Standesamt finde ich einen tollen Kompromiss, den du für dich geschlossen hast. Obwohl ich zugeben muss, dass ich zum Heiraten und alles, was damit verbunden ist, (im Moment jedenfalls) eher auf Abstand bin. Aber da bin ich ähnlich unentschlossen wie du – und das kann sich in ein paar Monaten schon wieder kompromissbedingt geändert haben. 😉
Liebe Grüße und viel Freude euch zusammen!
Jenni
Deine Gedanken kann ich sehr gut nachvollziehen.. aber auch beim Standesamt gibt es so viele Dinge zu beachten. Gesetzlich muss sich noch einiges ändern.. 😉
Sehr interessanter Artikel. Ich finde es immer wieder seltsam, wie Frauen, in meinem Umfeld, die mir total unabhängig und feministisch erscheinen, wenn es um die Hochzeit geht, dann plötzlich doch den Prinzessinnen-Traum leben und den Namen des Mannes annehmen wollen. Nicht, dass ich das irgendwie verurteile, aber ich glaube, mir würde es da ähnlich wie dir gehen und ich würde mir ebenfalls sehr viele Gedanken machen, wie ich das Thema Ehe mit meinen persönlichen Prinzipien unter einen Hut bringen kann.
Ist das nicht eine persönliche Entscheidung? Ich bin ebenfalls femininstin und blogge darüber und hab den Namen meines Mannes angenommen. Sollte feminismus nicht für die freie Entscheidungsfreiheit und Möglicheiten stehen, anstatt wieder in eine Schublade gesteckt zu werden?
Ich gebe Euch beiden Recht. Das Problem liegt hier denke ich darin, dass wir EINE Definition von Feminismus in den Kopf gedrängt bekommen haben. Wir müssen erst lernen, dass „Feministin zu sein2 sehr viele Facetten haben kann und es natürlich auch darum geht wählen zu können, ohne verurteilt zu werden.